Alojzije Kardinal Stepinac (1898–1960), Erzbischof von Zagreb
Alojzije Kardinal Stepinac (1898–1960), Erzbischof von Zagreb, Stepinac Schrein in der Kathedrale von Zagreb
Quelle: gemeinfrei
20.07.2017 – Porträt

Kardinal Alojzije Stepinac: Zwischen Heroisierung und Dämonisierung

Die Rolle des kroatischen Kardinals Alojzije Stepinac (1898–1960) wird von der katholischen Kirche in Kroatien und der Serbischen Orthodoxen Kirche unterschiedlich bewertet. Ein Interview mit Prof. Dr. Katrin Boeckh.

Interview mit Prof. Dr. Katrin Boeckh

1998 wurde Alojzije Kardinal Stepinac von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen, seit ein paar Jahren läuft das Heiligsprechungsverfahren. Können Sie uns kurz schildern, wer dieser Kardinal war und unter welchen Umständen er gelebt hat?
Alojzije Stepinac (1898–1960) wurde 1937 Erzbischof von Zagreb, die Kardinalswürde erhielt er 1952. Er verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in autoritären Staatswesen an der Spitze der katholischen Hierarchie in Kroatien. Dabei räumte das nach dem Ersten Weltkrieg proklamierte „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ bzw. das erste Jugoslawien der katholischen Kirche eine nachrangige Position gegenüber der Serbischen Orthodoxen Kirche ein. Es wurde 1941 zerschlagen und Kroatien und Bosnien-Herzegowina als „Unabhängiger Staat Kroatien“ (NDH) unter das faschistische Ustaša-Regime von Hitlers Gnaden gestellt. Das titoistische Jugoslawien nach dem Zweiten Weltkrieg ging nach stalinistischem Vorbild und unter Anleitung von erfahrenen Geheimdienstlern aus der Sowjetunion aggressiv gegen Kirchen vor, die es für bedrohlich hielt. Dies bekam auch die katholische Kirche zu spüren, die aufgrund ihres internationalen Einflusses und weil ihr Oberhaupt, der Papst, außerhalb Jugoslawiens residierte, als besonders schwer zu kontrollieren galt. Weil Stepinac sich weigerte, eine von Rom getrennte nationale katholische Kirche in Kroatien zu errichten, und wegen anderer Differenzen mit dem atheistischen Tito-Regime wurde er 1946 vor ein Schaugericht gestellt – dabei wurde sein Prozess einem anderen gegen Ustaša-Schergen angefügt. Dieser Schauprozess ohne rechtsstaatliche Grundlage war der erste seiner Art im östlichen, sowjetischen Europa gegen Kleriker nach dem Zweiten Weltkrieg – aufgrund der internationalen Proteste wurden dann die weiteren in diesem Raum im Geheimen durchgeführt. Wegen „Kollaboration“ mit dem NDH-Regime wurde Stepinac zu 16 Jahren Gefängnis mit Zwangsarbeit verurteilt, nach sechs Jahren im Gefängnis dann zu Hausarrest unter permanenter polizeilicher Bewachung „begnadigt“. Die Ausübung pastoraler Dienste in seinem Bistum war ihm damit nicht möglich. 1960 verstarb er nachgewiesenermaßen unter Einwirkung eines Giftes, das ihm offenkundig von außen ohne sein Wissen verabreicht worden war.
Welchen Stellenwert nimmt das Gedenken an Kardinal Stepinac heute in der Erinnerungskultur in Kroatien ein?
Stepinac war schon zu seinen Lebzeiten eine nationale Integrationsfigur für katholische Kroaten, weil er sich für deren Belange engagierte. Er hat sich bereits in den 1930er Jahren für gesellschaftlich Benachteiligte und für Arbeiter eingesetzt. Er war anti-kommunistisch eingestellt – kein Wunder bei der blutigen Religionsverfolgung in der jungen Sowjetunion, die er selbstverständlich zeitgenössisch registrierte. Und er hat als Kroate keinen Hehl aus seiner Liebe zu seiner Heimat gemacht. Damit erwarb er sich schon in der Zwischenkriegszeit unter der kroatischen Bevölkerung ein hohes Ansehen. Dass er nach dem Zweiten Weltkrieg die katholischen Gläubigen und sein Land nicht verlassen, sondern sich sehenden Auges dem Tito-Regime gestellt hat – das ist generationenübergreifend in den Familien weitergegeben worden und bis heute nicht vergessen.
Der Kardinal ist allerdings keine unumstrittene Gestalt, besonders zwischen der katholischen Kirche in Kroatien und der Serbischen Orthodoxen Kirche kommt es immer wieder zu Kontroversen um seine Person. Was sind die Hintergründe dieser Auseinandersetzungen?
Mediale Auseinandersetzungen über Stepinac nicht nur zwischen den genannten Kirchen, sondern auch zwischen anderen kroatischen und serbischen Repräsentanten haben politische Konjunkturen. Das Image Stepinac‘ wird dabei konstruiert zwischen zweifelloser Heroisierung und absoluter Dämonisierung. Kontroversen um Stepinac werden initiiert und politisch instrumentalisiert, um die jeweilig andere Partei, also das jeweilig andere Volk, propagandistisch zu treffen. Diese Instrumentalisierung ist unter anderem deswegen möglich, weil im sozialistischen Jugoslawien eine freie Diskussion der Causa Stepinac (und über viele andere Dinge, die das System ins Zwielicht gesetzt hätten) nicht möglich war; sie wurde vielmehr monopolisiert von Titos Ideologen, die Stepinac als Verbrecher darstellten, und die übrigens bis heute kaum selbst Thema kritischer Aufarbeitung sind. Solche politisch aufgeheizten Rahmenbedingungen machen Historikern eine sachliche Aufarbeitung sehr schwer, weil sie damit selbst sofort ins Kreuzfeuer geraten.
Sie selbst haben zu Stepinac geforscht und gearbeitet. Wie beurteilen Sie seine Rolle während des Zweiten Weltkriegs?
Stepinac musste schnell einsehen, dass die von ihm lang ersehnte und dann 1941 begrüßte kroatische Staatlichkeit auf einem Terror-Regime basierte. Die anfängliche Freude über die Ausrufung eines ersten kroatischen Staatswesens legte sich bei ihm schnell wieder. Unter Berufung auf seriöse historiographische Arbeiten aus der Feder von Kollegen und Kolleginnen in anderen Ländern und auf eine große Basis historischer Quellen, die mittlerweile zusammengetragen worden ist, ist festzuhalten, dass Stepinac während des Zweiten Weltkrieges Schutzlose gerettet hat – unter anderem die Bewohner eines jüdischen Altersheims in Zagreb, und dass er gegen die Verbrechen der Ustaša und die rassistisch motivierten Verfolgungen unter dem NDH-Regime gepredigt hat. In seinen Predigten hat er wiederholt auf katholische, christliche und allgemeine Werte abgehoben, in einer Umgebung, die sich wenig darum gekümmert hat. Die in der Gegenwart geäußerte und auch nicht weiter begründete Kritik an ihm, er habe „zu wenig“ getan, um anderen zu helfen, sollte seine begrenzten finanziellen und medialen persönlichen Möglichkeiten in der Bürgerkriegs- und Kriegssituation berücksichtigen. Außerdem hätte, wenn er zu laut „auf den Tisch gehauen“ hätte, dies genau das Gegenteil bei den Machthabern bewirken können; persönlichen Drohungen war er im NDH-Regime ohnehin ausgesetzt. Auch dass die eigentliche Verantwortung für die politischen, sozialen und militärischen Zustände im zerschlagenen Jugoslawien während des Zweiten Weltkrieges zu großen Teilen bei NS-Deutschland und seinen Verbündeten lag, darf keinesfalls vergessen werden. Leider gab es aber während der Ustaša-Herrschaft auch katholische Geistliche und Laien, die sich in den verbrecherischen Dienst der Führungsclique stellten. Darüber sollte noch stärker und ungeachtet politischer Tagesdebatten geforscht werden, genauso wie über das Verständnis von Katholizität, das sich die Ustaša anmaßte, sowie über die maßlose Verfolgung von Repräsentanten aller in Jugoslawien ansässigen Kirchen und Religionsgemeinschaften besonders in den ersten Jahren der titoistischen Herrschaft.

Zur Person

Prof. Dr. Katrin Boeckh, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung Regensburg (IOS) und Außerplanmäßige Professorin an der Abteilung für Geschichte Osteuropas und Südosteuropas an der LMU München.

Quelle: Nachrichtendienst Östliche Kirchen (NÖK) - Renovabis ist Mitherausgeber

Dialogkommission zu Kardinal Stepinac beendet ihre Arbeit

Dialogkommission zu Kardinal Stepinac beendet ihre Arbeit

Die von Papst Franziskus initiierte Dialogkommission zwischen der Serbischen Orthodoxen Kirche und der Kroatischen Bischofskonferenz zur Klärung der historischen Rolle des kroatischen Kardinals Alojzije Stepinac (1898–1960) hat ihre Arbeit ohne Einigung abgeschlossen. Fast genau ein Jahr nach der konstituierenden Sitzung in Rom im Juli 2016 fand Mitte Juli 2017 das letzte der insgesamt sechs Arbeitstreffen der Kommission im Vatikan statt.

In ihrem Abschlusskommuniqué hält die Kommission zwar fest, dass die Erforschung des Lebens von Kardinal Stepinac gezeigt habe, dass beide Kirchen während und nach dem Zweiten Weltkrieg grausamer Verfolgung ausgesetzt gewesen seien sowie ihre Märtyrer und Glaubenszeugen gehabt hätten. Doch im Falle von Stepinac werden weiter bestehende Differenzen eingeräumt. Allerdings habe man das „Leben und den Dienst eines wichtigen katholischen Hirten in einer besonders schweren Periode der Geschichte“ beleuchten können. Die Bewertungen seien dabei unterschiedlich. Beide Seiten betonten zudem erneut, dass der Heiligsprechungsprozess von Stepinac „ausschließlich in der Kompetenz des Papstes“ liege, und dass jede Kirche ihre eigenen Kriterien zur Heiligsprechung habe.

Die Kommission war eine Initiative des Papstes. Die Serbische Orthodoxe Kirche hatte sich vor zwei Jahren bezüglich einer möglichen Heiligsprechung von Stepinac brieflich an Papst Franziskus gewandt und schwere Bedenken im Hinblick auf dessen Rolle während der Zeit des sog. Unabhängigen Staats Kroatien im Zweiten Weltkrieg geäußert. Der Papst hatte daraufhin die Bildung der Dialogkommission angeregt. Mitglieder von Seiten der Kroatischen Bischofskonferenz waren der Zagreber Erzbischof, Josip Kardinal Bozanić, Bischof Antun Škorčević von Požega, Bischof Ratko Perić von Mostar sowie die Historiker Jure Krišto und Mario Jareb vom Kroatischen Institut für Geschichte in Zagreb. Vertreter der Serbischen Orthodoxen Kirche waren Metropolit Amfilohije (Radović) von Montenegro und dem Küstenland, Metropolit Porfirije (Perić) von Zagreb und Ljubljana, Bischof Irinej (Bulovć) von Bačka, Bischof Jovan (Ćulibrk) von Slawonien sowie Serbiens UNESCO-Botschafter Darko Tanasković. (mit Material von Kathpress)

Quelle: Nachrichtendienst Östliche Kirchen (NÖK) - Renovabis ist Mitherausgeber

Katrin Boeckh zur (un)umstrittenen Rolle von Kardinal Stepinac

Inhalt erstellt: 20.07.2017, zuletzt geändert: 12.02.2019

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