Chinesische Sterne über Belarus / Collage der Flaggen von China und Belarus.
Chinesische Sterne über Belarus. Das Reich der Mitte ist auf Expansionskurs. Zuletzt eröffnete einer der größten chinesischen Businessparks in Osteuropa in der belarussischen Hauptstadt Minsk.
Quelle: Grafik: n-ost
27.12.2017 – Wirtschaft

Die Chinesen kommen! Belarus und die wachsende Rolle Chinas

China engagiert sich immer stärker in Belarus. Warum Staatschef Lukaschenko die Investitionen aus dem Reich der Mitte gelegen kommen, erläutert n-ost-Korrespondent Mathias von Hofen.

München (n-ost) — Bei der Ankunft im Minsker internationalen Flughafen überkommt einen das Gefühl, nicht in Osteuropa, sondern mehrere Tausend Kilometer weiter östlich gelandet zu sein. Alle Flüge werden in chinesischen Schriftzeichen angezeigt, sämtliche Durchsagen erfolgen auch auf Chinesisch. Im Abflugterminal ist die Mehrzahl der Passagiere ostasiatischer Herkunft.

Wenige Kilometer vom Flughafen entfernt entsteht mit „Great Stone“ einer der größten chinesischen Businessparks in Osteuropa; und in der Innenstadt wird gerade ein großes Einkaufszentrum von Chinesen gebaut. Auch politisch sind die Chinesen in der belarussischen Hauptstadt aktiv. „Die kommunistische Partei Chinas unterhält ein Verbindungsbüro in Minsk. Und unser Präsident Lukaschenko hat den chinesischen Präsidenten mit Brot und Salz am Flughafen empfangen“, berichtet Sergey Kusnezow, ein Unternehmer aus Minsk. Er sieht die Präsenz der Chinesen in seinem Land kritisch: „Die Chinesen schenken uns nichts.“ Kusnezow, der ursprünglich aus der Stadt Gomel kommt, betont, dass auch dort, weit von Minsk entfernt, immer mehr chinesische Geschäftsleute zu sehen sind. Seine eigenen Erfahrungen mit den Chinesen sind gemischt: „Sie sind sehr höflich. Aber sie taktieren auch gerne. Eine größere Bestellung, die ich in China machen wollte, ist deswegen geplatzt“.

Es ist bekannt, dass der autoritär regierende Alexander Lukaschenko ein Faible für China hat. Ihm gefällt das chinesische Herrschaftsmodell, das einige Parallelen zum politischen System in Belarus aufweist. Auch Herr Baumann, der deutsche Firmen in Belarus berät, sieht die Präsenz der Chinesen kritisch. Er fürchtet die Auswirkungen für deutsche Unternehmen: „Die Chinesen tun alles, um Investitionen aus der EU zu behindern.“ Die Privatisierung der Staatsbetriebe sieht Baumann skeptisch: „Der Staat will die Kontrolle über die Wirtschaft behalten. Die sogenannten Privatisierungen bestehen oft darin, dass Aktiengesellschaften, bei denen der Staat die Mehrheit hat, die zu privatisierenden Betriebe aufkaufen.“ Darin erkenne er Parallelen zu China: „Auch dort kontrolliert der Staat die großen Unternehmen.“

Auf dem Minsker Forum, bei dem Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aus Belarus und Deutschland zusammenkommen, war dieses Jahr auch Siarhei Vaitekhouski, Vice-Chairman von „Great Stone“, eingeladen. Dass er dort sein Projekt vorstellen durfte, zeigt, welchen hohen Stellenwert chinesische Investitionen bereits für Belarus haben. China ist der größte Investor in Belarus, während Deutschland eher zögerlich in dem autoritär regierten Land investiert.

Bemerkenswert ist, dass die belarussischen Politiker auf dem Minsker Forum wenig über die chinesischen Investitionen sprachen, aber viel über die Rolle Belarus in der „Eurasischen Wirtschaftsunion“, in der das Land mit Russland und drei weiteren postsowjetischen Staaten verbunden ist. „Die Eurasische Union und die EU sollen sich weit stärker verflechten“, forderte der belarussische Außenminister Uladzimir Makei. Staatschef Lukaschenko sieht grundsätzlich die Zukunft seines Landes in der Eurasischen Wirtschaftsunion. Die Kooperation mit China ist für Lukaschenko aber eine weitere zusätzliche Option. Sie bietet ihm die Option Erpressungspotenzial sowohl gegenüber Russland als auch der EU aufzubauen. Die kritischen Reaktionen auf den 16+1 Gipfel in Budapest, bei dem 16 osteuropäische Staatschefs um chinesische I nvestitionen buhlten, zeigten, wie dünnhäutig man in Brüssel und Berlin auf den Einflussgewinn Pekings in Osteuropa reagiert.

Wirtschaftsexperten meinen jedoch, dass Belarus für China vor allem aufgrund seiner Nähe zur EU interessant ist. Zwar sprechen auch die gut ausgebildeten Arbeitskräfte, das niedrige Lohnniveau und die umfangreichen Steuerbefreiungen in den Businessparks für Belarus. Doch mit seinen nur knapp zehn Millionen Einwohnern und der geringen Kaufkraft eignet sich Belarus lediglich beschränkt als Absatzmarkt. Und der freie Zugang zur Eurasischen Union ist für China viel einfacher über das Nachbarland Russland möglich. Vielleicht ist die vorsichtige Annäherung Belarus an die EU daher nicht einer neuen Liebe zu Brüssel geschuldet, sondern eher der Versuch, sich für die Chinesen noch attraktiver zu machen.

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Inhalt erstellt: 27.12.2017, zuletzt geändert: 12.02.2019

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