Bischof Jaroslaw Pryriz CSsR im Gespräch mit Renovabis-Geschäftsführer Dr. Markus Ingenlath.
Bischof Jaroslaw Pryriz CSsR (rechts) im Gespräch mit Renovabis-Geschäftsführer Dr. Markus Ingenlath.
Quelle: Oksana Ostashchuk
05.12.2023 – Drei Fragen an ...

Im Gespräch mit Bischof Pryriz: Die ukrainische Kirche im Angesicht des Krieges

Projektpartner aus der Ukraine zu Gast bei Renovabis: im Gespräch mit Renovabis-Geschäftsführer Dr. Markus Ingenlath reflektiert Bischof Jaroslaw Pryriz CSsR die Herausforderungen des Ukraine-Krieges und die kontinuierliche Unterstützung durch Renovabis in dieser Zeit.

Die regelmäßige Kommunikation mit unseren Projektpartnern ist für die Arbeit von Renovabis unerlässlich, besonders in so herausfordernden Zeiten wie diesen. Ende November besuchte uns Jaroslaw Pryriz CSsR, der Bischof von Sambir-Drohobytsch, einer im Westen der Ukraine gelegenen Eparchie der ukrainisch griechisch-katholischen Kirche. Der Besuch bot Gelegenheit, Updates zur aktuellen Lage vor Ort zu erfahren und zu ihn zu fragen, wie die Menschen in der Ukraine die derzeitige Situation erleben.

1. Herr Bischof, können Sie uns etwas zur Stimmung sagen, die gerade in der Ukraine herrscht?

„Der Winter hat in diesen Tagen so richtig begonnen und wir sagen, es ist ein Wunder, dass es uns noch gibt – als Land, als Volk, als Kirche. Viele haben uns am Beginn der russischen Großoffensive vom 24. Februar 2022 nur drei Tage gegeben, aber jetzt kämpfen wir schon fast zwei Jahre und verteidigen die Freiheit des Landes und stellvertretend auch die Freiheit Europas. Putin dachte, dass er schnell alles gewinnen würde, er hat sich geirrt. In diesen Tagen begehen wir den 90. Jahrestags des Holodomor (der gegen die Ukraine und andere Regionen in der Sowjetunion willentlich herbeigeführten Hungerkatastrophe, Anm. der Redaktion). Lassen Sie es mich so sagen: Wir haben den Holodomor überstanden, wir werden auch diesen Krieg überstehen.“

2. Wie merken Sie den Krieg in Ihrem Alltag?

„Der Krieg dauert nun schon seit 10 Jahren, seit Russland die Krim und den Osten des Landes besetzte. Es ist ein großer Krieg, denn es gibt 18 Mio. Flüchtlinge, 8,5 Mio. davon im Ausland, der große übrige Teil bei uns in der Ukraine. Unsere (griechisch-katholische) Eparchie ist klein und liegt ganz im Westen an der Grenze zu Polen. Wir sind also in der sogenannten „sicheren Zone“. Zu Beginn der russischen Großoffensive hatten wir über 5000 Geflüchtete aufgenommen, inzwischen werden noch immer rund 150 in Aufnahmezentren versorgt. Das ist weiterhin eine große, auch finanzielle, Kraftanstrengung für uns.
Es zeigt sich auch, dass die psychologische Betreuung der Menschen immer wichtiger wird. Ich gebe Ihnen zwei Beispiele: Viele meiner Priester sind angesichts der fast täglich stattfindenden Beerdigungen gefallener Soldaten sehr belastet; es sind oft noch sehr junge Männer. Sie stehen am Friedhof, sehen die Mütter, Ehefrauen, Kinder und Geschwister – dieses große Leid! Sie müssen trösten, beistehen, Hoffnung geben – da tut es ihnen gut, dies auch mit professioneller Hilfe zu verarbeiten.
Und dann die vielen geflüchteten Frauen mit ihren Kindern, die oft alles verloren haben und Angst um die Ehemänner und Söhne an der Front haben. Auch sie benötigen für ihre Psyche dringend professionelle Hilfe. Wir helfen als Kirche, wo wir nur können, und erfreulicherweise zeigen sich hier auch erste Erfolge.“

3. Stellen Ihnen die Menschen auch manchmal die Frage nach dem „Warum“?

„Diese Frage höre ich, aber auch unsere Priester immer wieder: Warum lässt Gott dieses Leid zu? Ich habe keine schlüssige, endgültige Antwort. Ich habe mir überlegt, dass dieses Russland, das uns als Ukraine offensichtlich vernichten will, eine Prüfung für uns ist, ob wir trotz allem weiter an den Werten der Liebe, der Menschlichkeit und der Solidarität festhalten wollen; und diese Prüfung vor den Augen Europas und der ganzen Welt ablegen müssen. Und es ist gut, dass wir in dieser schweren Zeit Freunde an unserer Seite wissen. Renovabis hat seit seiner Gründung vor 30 Jahren angefangen, mit uns zusammenzuarbeiten und uns bisher nicht in Stich gelassen.“

Die Fragen stellte Dr. Markus Ingenlath.

Inhalt erstellt: 05.12.2023, zuletzt geändert: 05.12.2023

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