Das Foto zeigt eine Podiumsdiskussion mit vier Personen, die auf Hockern sitzen. Im Hintergrund Banner mit der Aufschrift "Gemeinsam gegen Menschenhandel" und das Logo von Renovabis. Eine Person hält ein Mikrofon.
v.l.n.r.: Sophie, Aussteigerin; Dr. Jakob Drobnik, Rechtswissenschaftler, Universität Erfurt; Leni Breymaier, ehem. MdB, zweite Vorsitzende SISTERS e.V.; Frank Heinrich, ehem. MdB, Vorsitzender GGMH e.V..
Quelle: Daniela Schulz, Renovabis
11.11.2025 – Rückblick

Scharfe Kritik an der Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG)

Expertinnen und Experten fordern nach der Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes klare Konsequenzen: Statt Profiteuren zu nützen, müsse der Schutz Betroffener im Mittelpunkt stehen. Die Veranstalter plädieren geschlossen für das Nordische Modell mit Ausstiegshilfen und Freierbestrafung.

Eine Veranstaltung von Gemeinsam Gegen Menschenhandel (GGMH) in Kooperation mit Renovabis.

Berlin, 05.11.2025 | Seit 2002 wird Prostitution in Deutschland reguliert. Hierzu wurde erst das Prostitutionsgesetz eingeführt, 2017 dann das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG), das u.a. dem Umstand Rechnung tragen sollte, dass viele Menschen in der Prostitution Gewalt erleiden und besser beschützt werden müssen. Im ProstSchG selbst war eine Evaluation des Gesetzes bereits vorgesehen. Das Familienministerium (BMBFSFJ) beauftragte das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN), welches in Folge drei Jahre hierzu arbeitete und das Ergebnis am 24. Juni 2025 veröffentlichte.
Vor diesem Hintergrund diskutierten am 25. September 2025 Fachleute aus Wissenschaft und Praxis im Hopfingerbräu am Brandenburger Tor. Die Veranstaltung von Gemeinsam gegen Menschenhandel und Renovabis mit rund 40 Teilnehmenden stand unter dem Titel „Wohin jetzt? Schritte nach der Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes“ und richtete sich insbesondere auch an politische Entscheidungsträger und -trägerinnen.

Die aktuelle Gesetzeslage nützt den Profiteuren

Die Vortragenden waren sich einig und stellten der Evaluation ein sehr mangelhaftes Urteil aus: So bewertete die Soziologin Manuela Schon (vorab aufgezeichnetes Videogespräch) die Evaluation als „unglaublich naiv" und wissenschaftlich nicht ernst zu nehmen. Sie kritisierte das fehlende Face-to-Face-Sample sowie die „unrealistische Darstellung der ‚Durchschnittsprostituierten‘ als gebildete Deutsche im Nebenerwerb“.
Der Rechtswissenschaftler Dr. Jakob Drobnik stellte fest, es handle sich nicht wirklich um eine Evaluation. Dies machte er daran fest, dass „die zentrale Frage, ob das Gesetz der eigentlichen Zielgruppe nützlich sei, gar nicht richtig gestellt und somit auch nicht beantwortet wurde.“ Denn Fakt sei, dass das Gesetz letztlich denen nütze, die wirtschaftlich von der Prostitution profitierten – und eben nicht den betroffenen prostituierten Frauen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland schüfen zudem eine legale Basis für die Organisierte Kriminalität. Der zynische Vorteil dieses Geschäfts bestehe darin, dass Frauen, im Gegensatz zu Waffen und Drogen, mehrfach verkauft werden können.
Die Aussteigerin Sophie prangerte das lange Warten auf die Evaluation als „Aufschieberei“ an, während im Dunkelfeld weiter Schaden für Betroffene entstanden sei. „In Deutschland scheint es der Wunsch vieler zu sein, Prostitution als Sehnsuchtsort zu retten“, so Sophie. Diese Utopie müsse endlich ein Ende finden. Hierzu forderte sie Aufklärung, Ausstiegshilfen und die Kriminalisierung der Profiteure.

Veranstalter und Vortragende fordern das Nordische Modell

Die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier nannte die in der Evaluation präsentierten Zahlen „lächerlich“ und betonte, die Besetzung der angekündigten Kommission von Expertinnen und Experten sei nun entscheidend. Letztlich ginge es nun um die Frage: „Was traut sich die Politik?“. Aktivistinnen und Aktivisten, die sich für das Nordische Modell in Deutschland einsetzen, ermutigte sie dazu, nicht aufzugeben, sondern immer weiter nach vorne zu denken. Sie habe Hochachtung für Betroffene und Aussteigerinnen, die sich der Diskussion immer wieder stellten.
Frank Heinrich, ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender von Gemeinsam gegen Menschenhandel e.V., der die Diskussion moderierte, ermutigte alle Anwesenden abschließend dazu, dranzubleiben und sich weiter für Sensibilisierung durch Öffentlichkeitsarbeit einzusetzen. Sein Wunsch sei hier vor allem: „Es müssen sich endlich auch mehr Männer an der Debatte beteiligten.“
Einstimmig forderten Veranstalter und Vortragende das sogenannte Nordische Modell (Gleichstellungsmodell) der Prostitutionspolitik für Deutschland. In diesem Vier-Säulen-Modell, das bereits in Ländern wie Schweden, Irland, Israel und Frankreich Anwendung findet, werden Menschen in der Prostitution entkriminalisiert, aber Freier und Profiteure bestraft. Außerdem gibt es Ausstiegshilfe und Unterstützung für Betroffene sowie Sensibilisierung und Schulung von Behörden sowie der allgemeinen Gesellschaft.

Inhalt erstellt: 11.11.2025, zuletzt geändert: 11.11.2025

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