

Es war eine große Gruppe von jungen Frauen und Männern, die sich in diesem Sommer zu einer deutsch-rumänischen Jugendbegegnung trafen: Gemeinsam verbrachten die mehr als 20 Jugendlichen im Alter zwischen 18 und 26 Jahren eine Woche in Timișoara. Sowohl die deutschen als auch die rumänischen Teilnehmenden engagieren sich in ihren Heimatländern in besonderem Maße sozial und vorwiegend ehrenamtlich. Die deutschen Reisenden sind in dem Verein „Campus-Weggemeinschaft e.V." aktiv, die rumänischen in der „Step-In"-Freiwilligengruppe der Caritas. Konzipiert wurde die Begegnung von den Jugendlichen selbst (unter der Anleitung des Sozialinstituts „Kommende Dortmund"). Ein wichtiger Aspekt der Reise: Die Jugendlichen wollten nicht nur soziale Einrichtungen besuchen, auch der Austausch mit anderen Engagierten war ihnen wichtig. Dabei ging es darum, die Herausforderungen marginalisierter Gruppen besser zu verstehen. Mit eigenen kleinen Aktionen - wie zum Beispiel einem Spielenachmittag - wollten sie auch während der Jugendbegegnung aktiv zur Gemeinschaft beitragen.
Renovabis hat die Jugendbegegnung im Rahmen des GoEast-Programms gefördert.
Die jungen Frauen und Männer haben für Renovabis „Tagebuch" geführt und berichten mit ihren Bildern und Texten in ihren eigenen Worten (und nur geringen Kürzungen) von den Erlebnissen und Erfahrungen während der Reise.
Mit großen Erwartungen erreichte die deutsche Reisegruppe den Bahnhof in Timișoara – mit nur einer Stunde Verspätung. So musste sich noch niemand an neue Maßstäbe von Pünktlichkeit gewöhnen, und auch der Kulturschock blieb zunächst aus. Am Bahnhof wurden wir von zwei der rumänischen Organisatorinnen und Organisatoren empfangen, die uns den Weg ins Kolping-Haus zeigten. Bereits von der Straßenbahn aus bekamen wir einen ersten Eindruck von der wunderschönen Altstadt.
Nach dem Mittagessen begannen wir im Kolping-Haus mit Kennenlernspielen, ganz im Sinne der socioMovens-Tradition. Anschließend stellten sich die Kolping-Organisation sowie die Gruppen Step-in und Campus Weggemeinschaft vor.
Am Abend besuchten wir in der Nähe eine „Ruga“, ein traditionelles Fest zu Ehren des Namenspatrons der Stadt. Dort erwarteten uns laute Musik, viel Tanz und gutes Essen. Nach diesem offenen und herzlichen Empfang kehrten wir voller Eindrücke zurück und fielen müde, aber gespannt auf das kommende Programm, ins Bett.
Der nächste Tag begann mit einem Morgenimpuls unter dem Motto „Make a difference“. Zur Vorbereitung auf unseren Besuch in einer Obdachlosenunterkunft erstellten wir in Kleingruppen eine Einkaufsliste mit Dingen, die dort gebraucht werden könnten und diskutierten diese in Kleingruppen. Der Nachmittag war gefüllt mit Spielen und gemeinsamer Zeit, bevor wir zur NGO LOGS aufbrachen. Diese Organisation unterstützt Geflüchtete in vielfältiger Weise. Nach einem Hintergrundgespräch halfen wir dort bei einem Abendprogramm für Kinder mit Popcorn, Crêpes und einer Clown-Show aus dem Libanon. Die Lachtherapie tat nicht nur den Kindern, sondern auch uns gut. In der Reflexion teilten wir unsere Eindrücke und hielten fest, wie gut es sich anfühlt, aktiv mitanzupacken und einen „difference“ zu bewirken.
Mit diesem Leitgedanken begann der nächste Tag. Wie jeden Morgen bestimmten wir ein Motto, diesmal „Take Care of all." Es sollte uns daran erinnern, niemanden auszulassen und die Gemeinschaft im Blick zu behalten. Am Vormittag besuchten wir ein Hospiz, das von Franziskanerinnen geleitet wird. Dort übernehmen sie die medizinische wie auch psychologische Betreuung der Patientinnen und Patienten. Die Schwester zeigte uns das Gelände mit seinem schönen Garten und berichtete, dass ihr Hospiz mit zehn Plätzen eine Seltenheit in Rumänien sei. Besonders bewegte uns ein Buch, in dem jeder verstorbene Patient seinen eigenen Eintrag erhält, damit niemand in Vergessenheit gerät. Ihr ältester Patient war 107 Jahre alt, der jüngste 24. Die persönlichen Geschichten über letzte Vergebungen und familiäre Schicksale hinterließen tiefe Eindrücke. Auch Fragen wie „Wollt ihr wissen, wann und wie ihr sterbt?“ oder „Habt ihr Angst vor dem Tod?“ regten uns zum Nachdenken an.
Nach dem Mittagessen stand ein Austausch zum Thema Religion in Deutschland und Rumänien auf dem Programm. Wir diskutierten über Unterschiede und Gemeinsamkeiten, unter anderem über die Rolle der Frau sowie über verschiedene Traditionen in orthodoxer, evangelischer und katholischer Kirche. Am Nachmittag besuchten wir eine katholische Messe in der Kathedrale von Timișoara.
Zwei große Programmpunkte standen am folgenden Tag an: Vormittags besuchten wir ein „Homeless Shelter“ in Timisoara. Dort können Bewohner bis zu zwei Jahre leben, erhalten Unterstützung beim Umgang mit Geld, juristische Beratung und Hilfe bei der Rückkehr in ein eigenständiges Leben. Die Leiterin beeindruckte uns mit ihrem Engagement und verkörperte das Tagesmotto „Do your best“. Sie schilderte uns den Alltag der Einrichtung und erzählte von Erfolgen wie auch Rückschlägen. Besonders bewegte uns die Geschichte eines Mannes, der nach seiner Zeit im Shelter Arbeit fand, ein eigenes Haus kaufen konnte und so zu einem selbstbestimmten Leben zurückkehrte. Beim Gespräch mit den Bewohnern fiel uns auf, wie sehr sie sich über unseren Besuch freuten. Einer sagte sogar, er fühle sich „wie ein Star“. Gleichzeitig machten uns manche Schicksale, wie das eines ehemaligen Pflegemitarbeiters aus Deutschland, der nach einer schweren Erkrankung in Rumänien obdachlos wurde, sehr betroffen.
Am Nachmittag besuchten wir das Museum der Revolution von 1989. Viele von uns hatten zuvor kaum Wissen über das Ceaușescu-Regime. Umso eindrücklicher war es, über die Geschehnisse in Timișoara zu erfahren, die zum Sturz des Regimes führten. Wir lasen die Namen der willkürlich erschossenen Menschen, darunter Jugendliche in unserem Alter und sogar ein zweijähriges Kind. Besonders berührend waren die Briefe von Eltern an ihre ermordeten Kinder. Später entdeckten wir noch Einschusslöcher an Häusern und Denkmälern in der Stadt – eine eindringliche Erinnerung daran, dass diese Ereignisse erst 36 Jahre zurückliegen und noch sehr präsent sind.
Der folgende Tag begann mit einem Morgenimpuls zum Motto „Hang in“, das uns ermutigte, dranzubleiben und Herausforderungen gemeinsam zu meistern. Anschließend besuchten wir das Rathaus von Timișoara. Dort wurden unsere Fragen zu Nachhaltigkeit, Stadtentwicklung und jungem Engagement ausführlich beantwortet. Wir nahmen an einer historisch-politischen Stadtführung teil, bei der wir viel über die Geschichte Timișoaras erfuhren. Im Anschluss erkundeten wir die Stadt in Kleingruppen und sammelten beim gemeinsamen Mittagessen weitere Eindrücke von der rumänischen Kultur.
Unser letzter gemeinsamer Programmtag startete mit dem Morgenimpuls zum Motto „Celebrate – Enjoy the others’ success as much as your own“. Dazu wurden uns Projekte vorgestellt, an denen bereits Teilnehmende unserer Gruppe mitgewirkt hatten, und wir erhielten Einblicke, wie wir uns künftig ebenfalls engagieren können. Da dieser Tag zugleich den inhaltlichen Abschluss der gemeinsamen Woche markierte, nahmen wir uns viel Zeit zur Reflexion. Dies geschah auf unterschiedliche Weise: durch eine Umfrage, durch ein „Barometer“ mit Leitfragen, durch das Sammeln von Anregungen für die Organisation zukünftiger Veranstaltungen sowie durch das Teilen lustiger Erinnerungen aus der Woche. Besonders persönlich wurde es beim „Shower of Compliments” im Eins-zu-Eins-Gespräch. Zudem erinnerten wir uns daran, welche kulturellen Eigenheiten wir voneinander gelernt hatten – und setzten dies gleich in die Praxis um, indem wir im Park gemeinsam Disco-Fox und rumänische Volkstänze tanzten.
So gelang es, organisatorischen, fachlichen und persönlichen Austausch mit einem schönen Abschied zu verbinden. Am Abend gingen wir gemeinsam in ein serbisches Restaurant und teilten anschließend im Park ein letzes Mal unsere Gedanken zum Tagesmotto, bevor wir am nächsten Vormittag nach einem „Farewell-Brunch" den Heimweg antraten.
Alle Texte und Fotos: Teilnehmende