Šimo Maršić, der Leiter des Jugendzentrums „Johannes Paul II" in Sarajevo, im Gespräch mit der Mutter eines Teilnehmers.
Der Leiter des Jugendzentrums „Johannes Paul" II in Sarajevo, Šimo Maršić (links) im Gespräch mit der Mutter eines Teilnehmers.
Quelle: Achim Pohl
15.03.2023 – Bosnien und Herzegowina

Zukunft vor Ort: Das Jugendzentrum in Sarajevo

Das Jugendzentrum „Johannes Paul II" in Sarajevo richtet sich in seinen landwirtschaftlichen Workshops gezielt an die Landbevölkerung. Qualifizierte Fachkräfte vermitteln Wissen rund um den Obst- und Gemüseanbau - und ermöglichen so eine gesicherte Zukunft im eigenen Land.

Das Jugendzentrum „Johannes Paul II" in Sarajevo

Das Jugendzentrum „Johannes Paul II" wurde 2007 in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo gegründet, der Leiter ist Pfarrer Šimo Maršić. In Kooperation mit Schulen landesweit kommen bis zu 40 Jugendliche zu Workshops wie „Werte der Demokratie“, „Interreligiöser Dialog“ oder „Versöhnungsarbeit“. Dort findet ein reger Austausch statt, über Regionen wie über Religionen hinaus. „Wer in kleinen Dörfern groß wird, war als Christ noch nie in einer Moschee, als Muslim noch nie in einer Kirche“, erklärt der Geistliche.

Gezielt an die Landbevölkerung richten sich darüber hinaus landwirtschaftliche Workshops, die Pfarrer Šimo Maršić in der seit dem Krieg nahezu verwaisten Region um Kornica im Norden des Landes in einem eigens dafür renovierten Gebäude organisiert. In Theorie und Praxis vermitteln qualifizierte Fachkräfte Wissen rund um den Obst- und Gemüsebau. „Eine florierende Wirtschaft und Menschen mit gesichertem Einkommen sind die Lösung für eine bessere, friedliche Gesellschaft“, fasst der Pfarrer seine Gedanken über die Zukunft zusammen.

Peter Beyer (Texte) und Achim Pohl (Fotos) haben das Projekt und einige der Teilnehmer besucht.

Antonija Mikolić: „Ich glaube, es gibt hier eine Zukunft“

Gemeinsam mit ihrem Mann Jura baut Antonija Mikolić (geb. 1986) in der nordbosnischen Gemeinde Kornica auf vier Hektar Land Mais, Soja, Weizen und seit 2014 hauptsächlich Bohnen an. Mit dem Bohnenanbau haben die beiden eine Marktlücke entdeckt: Das Gemüse ist sehr beliebt, und weit und breit gibt es keinen anderen Bohnenbauern. Im Jahr 2017 bildete sich die vor Energie sprühende Antonija auf einem von Renovabis geförderten landwirtschaftlichen Workshop weiter. Dank der Unterstützung des Hilfswerks konnte außerdem ein neuer Vertikutierer angeschafft werden - doppelt so groß wie sein Vorgänger. Er erspart dem Bauernpaar viel Zeit. „Endlich kommt mein Mann früher vom Feld nach Hause“, scherzt Antonija. Bedingt durch massenhafte Landflucht und Migration wirkt ihr Dorf zuweilen wie leergefegt – weshalb die zweifache Mutter ihrem Jüngsten immer mal wieder aufträgt: „Geh‘ ins Dorf und such‘ Kinder zum Spielen!“

Während ringsum Nachbarn ihre Koffer packen, hat sich die Familie anders entschieden.
„Wir wollen nicht nach Deutschland“, erklärt Antonija, die während des Kriegs in Bayern die Grundschule besucht hatte und noch heute passabel Deutsch spricht: „Ich glaube, es gibt hier eine Zukunft, man muss nur hart arbeiten.“ Diese Einstellung will sie auch ihre Söhne (11 und 14 Jahre alt) lehren. Deshalb legt sie Wert darauf, dass die beiden auf dem Feld mit anpacken. Zur Erntezeit heißt das: Aufstehen um vier Uhr früh, denn die Bohnen müssen gepflückt werden, solange sie noch feucht sind.

Mateo Udorćić: „Lieber hier ein Chef als dort ein Sklave“

Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des von Renovabis geförderten landwirtschaftlichen Workshops im bosnischen Kornica ist der 19-jährige Mateo Udorćić. Der energisch wirkende Abiturient mit Vollbart und funkelnd blauen Augen bewirtschaftet mit Mutter, Schwester und Bruder – der Vater ist vor Jahren gestorben – Felder mit Mais, Soja und Weizen in ihrem kleinen Dorf nahe der kroatischen Grenze.

Das allgegenwärtige Thema Arbeitsmigration hatte auch die Familie Udorćić erfasst: Mateos Bruder zog für ein Jahr nach Düsseldorf, kehrte dann aber zurück und riet Mateo davon ab, es ihm nachzutun. „Sei lieber hier ein Chef als dort ein Sklave“, brachte er seine Erfahrungen auf den Punkt. Und so lernt Mateo heute alles Wichtige über die Lagerung von Obst – neu für ihn und wichtig für die Pläne der Familie, demnächst zusätzlich auf einem Hektar Fläche Äpfel anzubauen.

Familie Rados: Nebenerwerb für die Ausbildung der Kinder

Branco und Andreja Rados leben mit ihren drei Kindern in Papratnica. Das Dorf liegt in der überwiegend von Kroatinnen und Kroaten bewohnten Gemeinde Žepče, etwa eine Autostunde von Sarajevo entfernt. Beide sind als Lehrer tätig, sie verdienen umgerechnet je 600 Euro im Monat. Im Nebenerwerb baut die Familie seit drei Jahren Aprikosen, Äpfel und Birnen an. Anfangs brachte sich Branco den Obstschnitt mit Hilfe des Internets bei. Mit schelmischem Lächeln zeigt er seinen Besuchern, was dabei herauskam: Hinter dem Wohnhaus steht ein erbärmlich schiefes Apfelbäumchen. Vor dem Haus hingegen wachsen 300 stolze Obstbäume in Reih und Glied - und das in Bio-Qualität, wie Branco betont. Das notwendige Know-how erwarb er beim Besuch landwirtschaftlicher Kurse im nahen Kornica. Dort erfuhr Branco auch von der Chance, für den Kauf von Geräten, insbesondere den dringend benötigten Wasserschläuchen, finanzielle Unterstützung durch Renovabis zu bekommen.

Das Geld, das sie mit ihrem Nebenerwerb erwirtschaften, legen die Eltern für die Ausbildung der Kinder an. Damit Filip (10), Marina (6) und Karlo (2) eine Beziehung zur Natur entwickeln, übertragen ihnen die Erwachsenen kleine Aufgaben im Obsthain und im Garten. „Zuerst haben sie gestöhnt, sie seien die einzigen Kinder im Dorf, die zu Hause schuften müssen“, berichtet Mutter Andreja. „Aber als sie dann Kartoffeln, Möhren und Auberginen aus eigenem Anbau ernten durften, waren sie stolz.“

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Inhalt erstellt: 15.03.2023, zuletzt geändert: 03.05.2023

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