Text Herzensgebet
Das Herzensgebet müht sich um die stete Wiederholung des Namens Jesu.
Gebetsimpuls

Einladung zum Herzensgebet

Die stete Wiederholung des Namens Jesu, gesungen oder gesprochen, ist eine uralte Gebetsform. Sie hilft, Ruhe zu finden und uns für Gottes Gegenwart bereit zu machen. Pfarrer Dr. Christian Hartl lädt ein, das Herzensgebet kennenzulernen – auch als eine Brücke zur ostkirchlichen Spiritualität.

Herzensgebet, Jesusgebet, Atemgebet

Eine Gebetsform, die in der ostkirchlichen Tradition und damit bei vielen unserer osteuropäischen Partner in sehr hohem Ansehen steht, ist das sogenannte Herzensgebet, auch als Jesusgebet oder Atemgebet bekannt. Im Grunde geht es um das Ernstnehmen des biblischen Wortes „Betet ohne Unterlass“ (1 Thess 5,17). Dies aber kann nicht mit vielen Worten geschehen, sondern durch eine innere Haltung, durch eine permanente Ausrichtung auf Gott hin.

Schon die Mönchsväter des 3. und 4. Jahrhunderts mühten sich um die Hesychia, ein Haltung, die wir im Deutschen am besten mit den Worten „Im-Frieden-Sein“, „In-der Ruhe-Bleiben“ übersetzen. Abt Emmanuel Jungclaussen OSB beschreibt den inneren Weg der sog. Hesychasten folgendermaßen: „Der erste Schritt ist das Bemühen um die Erfüllung der Weisungen Christi, so wie sie uns in der Bergpredigt gegeben sind. Dabei erhält – als zweiter Schritt – die Mahnung zur Sorglosigkeit (Mt 6,24-33) ein ganz besonderes Gewicht. Sie zielt darauf ab, nicht nur ganz allgemein durch Ablegen der Sorgen Ruhe zu finden, sondern jeden unguten Gedanken und schließlich überhaupt jeden Gedanken zu unterdrücken, um dafür nur eine Sorge zu haben, nämlich das Gott-Gedenken unablässig im Herzen zu bewahren, um dadurch mit Gott völlig eins zu werden. Diese eine Sorge wird als Nüchternheit oder Wachsamkeit des Geistes beschrieben“ (Zit. aus der u. g. Einführung zu den Aufrichtigen Erzählungen).
Tatsächlich sagt Jesus in seiner Bergpredigt mit Verweis auf die Vögel des Himmels und die Blumen auf dem Feld: „Sorgt euch nicht… Euch muss es zuerst um Gottes Reich und seine Gerechtigkeit gehen, dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6, 25.33). Was aber ist das Reich Gottes? Es ist der „Reichtum Gottes“, der „Bereich Gottes“, dass ER Raum findet in meinem Inneren und in dieser unseren Welt.

Übung durch Wiederholung

Es bedarf der Übung, um den inneren Bereich eines Menschen für Gott zu weiten, das wussten die Mönchsväter und das wussten die Gottsucher aller Jahrhunderte. Einem Mantra gleich wiederholten sie kurze Psalmverse oder Stoßgebete aus den Evangelien, zum Beispiel das Wort des demütigen Zöllners im Tempel „Gott, sei mir Sünder gnädig“ (Lk 18,9-14). Am meisten Verbreitung aber fand die Bitte des blinden Bartimäus „Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner“ (Lk 18,38).
Schon im 7. und 8. Jahrhundert besann man sich im sog. Dornbusch-Kloster am Sinai auf die Offenbarung Gottes in seinem Namen JHWH und erkannte im Namen Jesu die Verdichtung dieser Selbstoffenbarung Gottes. Man war überzeugt: Wer diesen Namen in seinem Herzen bewegt und bewahrt, wird dadurch gereinigt, geheilt, inspiriert.

Das Herzensgebet müht sich um die stete Wiederholung des Namens Jesu. Schon im frühen Mittelalter wurde auf dem Berg Athos eine bestimmte Technik gelehrt, die helfen will, den Namen Jesu mehr und mehr zu verinnerlichen. Dort und in vielen weiteren „Schulen des Gebetes“, die im Laufe der Jahrhunderte zu finden sind, hat es sich als hilfreich erwiesen, auf den eigenen Körper zu achten, vor allem auf den Atem. Der Name Jesu, „die Verdichtung der Selbstoffenbarung Gottes“, wird in den Atem mit aufgenommen und damit in das eigene Innere. Manche beten heute atmend die Worte des Bartimäus (beim Einatmen „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes“, beim Ausatmen „erbarme dich meiner“), andere beten noch schlichter „Jesus – Christus“. Manche verbinden mit der Anrufung eine Bitte oder einen Dank - stets aber im Rhythmus des Atmens.

Das gesungene Herzensgebet

In der byzantinischen Spiritualität gibt es auch das gesungene Herzensgebet. Dieser anrührende Gesang kann den Rhythmus des bewussten Ein- und Ausatmens vermitteln und in die Grundhaltung des Herzensgebetes einführen. Einen narrativen Zugang zum Herzensgebet bietet das lesenswerte Buch eines unbekannten Autors mit dem Titel „Aufrichtige Erzählungen eines russischen Pilgers“ (herausgegeben und eingeleitet von Emmanuel Junggclaussen im Herder-Verlag).

Möge allen, die sich um das Herzensgebet mühen, viel Ruhe und innerer Friede geschenkt werden – nicht zuletzt in diesen bewegten Monaten der Corona-Krise!
Das wünscht von Herzen,

Pfarrer Dr. Christian Hartl

Das Jesusgebet – gesungen vom Chor des Collegium Orientale, Eichstätt

Das Jesusgebet auf CD

Inhalt erstellt: 11.05.2020, zuletzt geändert: 10.11.2020

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