Das Denkmal der Helden des Ghettos
Das „Denkmal der Helden des Ghettos“, vor dem Bundeskanzler Willy Brandt am 7. Dezember 1970 niederkniete.
Quelle: Simon Burchell (CC BY-SA 4.0)
02.12.2020 – Rückblick

Vor 50 Jahren: Ein Kniefall schreibt Geschichte

Das Foto ging um die Welt: Der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt kniet vor dem Denkmal der Helden des Ghettos in Warschau. Heute, 50 Jahre später, ist es kaum mehr nachvollziehbar, dass die Geste damals in Deutschland nicht unumstritten war.

Vor 50 Jahren, als trotz der langsam anlaufenden Entspannungspolitik zwischen dem „freien Teil Europas“ und dem „Ostblock“ das gegenseitige Misstrauen noch sehr groß war, reiste Bundeskanzler Willy Brandt als erster westdeutscher Regierungschef nach Warschau. Konkret ging es um die Unterzeichnung eines Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen, in dem unter anderem die Unverletzlichkeit der polnischen Westgrenze, der Oder-Neiße-Grenze, festgeschrieben wurde.

Vorgesehen war am 7. Dezember 1970 auf der Fahrt durch Warschau auch eine Kranzniederlegung vor dem Ehrenmal der Helden des Warschauer Ghettos. Was dann aber geschah, kam völlig unerwartet und durchbrach das starre Protokoll – statt wie üblich nur die Kranzschleife zu richten, kniete Willy Brandt nieder und verharrte mit bewegungslosem Gesicht für eine halbe Minute vor dem Denkmal. In seinen Erinnerungen bemerkte er dazu: „Immer wieder bin ich gefragt worden, was es mit dieser Geste auf sich gehabt hatte. Ob sie etwa geplant war? Nein, das war sie nicht … Ich hatte das Empfinden, ein Neigen des Kopfes genügt nicht.“

Heute ist es kaum mehr nachvollziehbar, dass dieser Kniefall – ein Signal des Eingeständnisses deutscher Schuld, noch dazu von einem Deutschen, der als Emigrant und Widerstandskämpfer auf der „anderen Seite“ gestanden hatte – damals auf ein geteiltes Echo stieß. Im kommunistischen Polen und in der DDR wurde er offiziell totgeschwiegen, in Westdeutschland hielt die Mehrheit der Bevölkerung ihn laut Meinungsumfragen für „übertrieben“, was sicher auch mit der leidenschaftlichen Diskussion um das Für und Wider der Entspannungspolitik zusammenhing. Dass das Signal weltweit anders aufgenommen und als ein Symbol des neuen, demokratischen Deutschlands verstanden wurde, das sich zu seiner Verantwortung für die Verbrechen der Vergangenheit bekannte, wurde deutlich sichtbar, als Willy Brandt 1971 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Christof Dahm, Renovabis

Seit dem Jahr 2000 erinnert eine Gedenktafel in Warschau an den Kniefall; seit Oktober 2020 ist eine 2-Euro-Gedenkmünze im Umlauf, die ebenfalls an Willy Brandts Geste erinnert.

Warschauer Ghetto-Ehrenmal
Das „Denkmal der Helden des Ghettos“ (polnisch Pomnik Bohaterów Getta), wurde zum Gedenken des Aufstands im Warschauer Ghetto 1947 errichtet. Entworfen hat es der jüdische, in Warschau geborene Bildhauer Nathan Rapaport in Zusammenarbeit mit Leon Marek Suzin. Die Enthüllung erfolgte am 19. April 1948.
Quelle: Wistula (CC BY-SA 3.0)
Willy-Brandt-Denkmal in Warschau
Im Jahr 2000 wurde dem Kniefall ein Denkmal aus Backstein mit einer Bronzetafel von Wiktoria Czechowska Antoniewska errichtet. Das Areal um dieses Denkmal heißt inzwischen offiziell Skwer Willy’ego Brandta (Willy-Brandt-Platz).
Quelle: Adrian Grycuk (CC BY-SA 3.0)
Inhalt erstellt: 17.11.2020, zuletzt geändert: 07.12.2020

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