Ein Bahnhof bei Nacht
Eine Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau bis Ulan-Ude - die Nachtfahrten im Coupé waren für die jungen Fahrgäste ganz besondere Erlebnisse.
Quelle: Veronika Lange
Reisetagebuch

„Russia on Rails"

Eine Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn, von Moskau bis Ulan-Ude - was für ein Abenteuer! Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der internationalen Jugendbegegnung „Russia on Rails" haben sich im August 2019 voller Spannung auf den Weg nach Russland gemacht - und sind begeistert zurückgekommen.

Im Rahmen des GoEast-Programms unterstützt Renovabis seit vielen Jahren Jugendbegegnungen im Osten Europas - und fördert so Verständigung, Dialog und Versöhnung von West und Ost. Im Sommer 2019 gingen 36 Jugendliche aus vier Nationen (Deutschland, Tschechien, Polen, Russland) mit ihren Betreuern auf große Reise: Sie nahmen am Projekt "Russia on Rails: Exchanging ideas - Learning for life - growing together" teil - einer aufregenden Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau bis nach Ulan-Ude, organisiert von der Aktion West-Ost. In ihrem Reisetagebuch beschreiben einige der jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre ganz persönlichen Eindrücke, Erfahrungen und Erinnerungen.

Das Abenteuer beginnt

Junge Leute in Moskau
Ein Teil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf Entdeckungstour in Moskau
Quelle: Veronika Lange
Gruppenfoto der jungen Reisenden
Gruppenfoto in Nischni Nowgorod
Quelle: Veronika Lange

Moskau

Jede noch so lange Reise beginnt mit einem ersten Schritt. Für die 36 Teilnehmer der internationalen Jugendbegegnung „Russia on Rails“ war dieser erste Schritt die Ankunft in Moskau und das Kennenlernen der anderen Teilnehmer. Ein erstes gemeinsames Abendessen, viele interessante Gesprächsthemen, Kennenlernspiele - die meisten Teilnehmer fielen gegen Mitternacht erschöpft, aber auch erwartungsvoll und zufrieden in ihre Betten. Oder erkundeten Moskau bei Nacht…
Ein erster Höhepunkt: eine Stadtführung durch Moskau. Vorbei an der Basilius-Kathedrale, dem Roten Platz und dem Kreml schlenderten wir durch das Stadtzentrum und genossen „original sowjetisches Eis“. Spätestens beim abendlichen Dokumentarfilm über die Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn packte das Reisefieber auch den Letzten von uns.

Wie ist die aktuelle politische Lage in Russland? Darüber konnten wir uns am nächsten Tag im Rahmen eines Vortrags aus erster Hand informieren. Ein russischer Oppositionspolitiker berichtete uns sehr eindrücklich von seinen Erfahrungen mit dem russischen Wahlsystem und den Problemen der Demokratie in Russland. Nachmittags erhielten wir einen ersten Überblick über die russische Geschichte, um die kulturellen Eigenheiten des Landes besser nachvollziehen zu können.
Theresa List, Teilnehmerin aus Deutschland

Moskau - Nischni-Nowgorod

Russland – das ist nicht nur Moskau und Sankt Petersburg. Dies ins Bewusstsein zu rufen, ist eines der Ziele des Jugendprojekts "Russia on Rails" der Aktion West-Ost. Nachdem in den Tagen zuvor die russische Hauptstadt erkundet worden war, ging jetzt die Reise auf der Transsibirischen Eisenbahn erst so richtig los. Die 400 Kilometer lange Zugfahrt nach Nischni-Nowgorod gab einen ersten Eindruck von der schieren Größe des Landes.

In Nischni-Nowgorod konnten die jungen Erwachsenen vieles über die russische Geschichte erfahren, die sich eben nicht nur in der Hauptstadt abspielte. Bei einer Stadtführung erkundeten die Teilnehmer unter anderem den Kreml, die Festung der Stadt. Die ursprünglich dort stehende Kathedrale war 1928 vom kommunistischen Regime gesprengt worden. Heute steht an dieser Stelle eine Kapelle. Ab den 1930ern hatte der Ort wegen seiner bedeutenden Rüstungsindustrie zudem den Status einer „geschlossenen Stadt“, zu der Ausländer keinen Zutritt hatten. In der späteren Reflexion im Zug sprachen die jungen Menschen nicht zuletzt dieses Beispiel an, das den Zuwachs an Freiheit durch den Fall des Eisernen Vorhangs und des Kommunismus zeigt.
Christoph Mauerer, Teilnehmer aus CZ

Jeder Tag ist voller neuer Erlebnisse...

Menschen in einer Moschee
Auch ein Besuch in einer Moschee stand auf dem Programm.
Quelle: Veronika Lange
Vier Jugendliche am Esstisch
Leckeres Essen in Kazan.
Quelle: Veronika Lange
Jubelnde Jugendliche an einem russischen Bahnhof
Große Freude: Keiner hat den Zug verpasst - trotz "Umweg" zum falschen Bahnhof!
Quelle: Veronika Lange

Kazan

Nach unserer ersten Zugreise über Nacht sind wir in der Früh in Kazan, der Hauptstadt der Republik Tatarstan, aufgewacht. Es ging direkt zu unserem Hostel durch die wunderschöne Stadt Kazan. Ein interessantes Vorhaben an diesem Vormittag: Wir wollten zusammen mit einer tatarischen Köchin die typische Nachspeise Tschak-Tschak zuzubereiten. Nach dem Mittagessen konnten wir die Spezialität mit Tee genießen - sehr gut gelungen! Abends gab es die Möglichkeit, an einem Gottesdienst in der einzigen römisch-katholischen Kirche in der Region Kazan teilzunehmen. Der Gottesdienst fand auf Lateinisch und Russisch statt.

Es kam zu einer schönen Begegnung mit einer holländischen Ordensfrau, die von der extremen Diaspora-Situation katholischer Christen in Russland berichtete.
Marie-Anna Sedlinska, Teilnehmerin aus Tschechien

Der zweite Tag in Kazan begann mit einem Vortrag von Herrn Professor Gilyazov von der Universität Kazan zur Geschichte und Kultur des tatarischen Volkes, welches hauptsächlich in der Republik Tatarstan angesiedelt ist. Die Präsenz des tatarischen Volkes auf russischem Gebiet ist durch die tatarisch-mongolische Okkupation Russlands während des Mittelalters zurückzuführen. Die Tataren sind ein Turkvolk und somit mit den Türken, Kasachen und Usbeken verwandt.

Ein kleines Abenteuer: Als wir die Sicherheitskontrolle des Kazaner Hauptbahnhofs passiert hatten, fiel uns plötzlich auf, dass wir am falschen Bahnhof waren. Also sprinteten alle 36 Leute zu den Taxis am Bahnhof und wir ließen uns in rasanter Fahrweise mit zehn Taxis zum Bahnhof „Kasan-2“ kutschieren - tatsächlich haben es alle in den Zug nach Perm geschafft.
Andreas Milgrom, Teilnehmer aus Deutschland

Perm - Jekaterinburg

Perm empfing uns mit trübem Wetter, es war regnerisch und grau. Es hätte keinen besseren Tag geben können, um die Gulag-Gedenkstätte Perm-36 zu besuchen.

Als in Russland geborene und aufgewachsene Person habe ich von dem Gulag und den Repressionen der Führung der UdSSR gehört, aber: Es ist eine Sache, davon zu wissen, und eine ganz andere, sich beim Anblick der Baracken vorzustellen, wie der Alltag der Gefangenen ausgesehen haben muss – nicht nur Mörder, Räuber oder Vergewaltiger, sondern auch Menschen, die mit der Regierung einfach nicht einverstanden waren. Um alles Gesehene in einem Wort zu beschreiben: schrecklich. Dieser so erhaltene Ort ist einzigartig. Man muss sich erinnern und darf nicht vergessen.
David Gulua, Teilnehmer aus Russland

Bewegende Eindrücke in der Gulag-Gedenkstätte Perm

Die Gedenkstätte Gulag Perm 36
Die Gulag-Gedenkstätte Perm-36.
Quelle: Veronika Lange
Jugendliche im Regen
"Um alles Gesehene in einem Wort zu beschreiben: schrecklich" - So fasst einer der Teilnehmer den Besuch in Perm-36 zusammen.
Quelle: Veronika Lange

Jekaterinburg

In der schönen eurasischen Stadt Jekaterinburg waren wir im Jelzin-Zentrum: Der erste Teil der Ausstellung war dem Leben Jelzins gewidmet bis zur Zeit seiner Präsidentschaft, der zweite Teil konzentrierte sich auf sein Leben während der Präsidentschaft. Nach dem Mittagessen fuhren wir zu einem interessanten Denkmal. Es stellt die gedachte Grenzlinie zwischen Europa und Asien dar.

Wir haben zusammen eine Brücke aus Menschen gebaut, bunte Bändchen an Bäume gebunden und Interviews mit Teilnehmern durchgeführt.
Monika Kalwajtis, Teilnehmerin aus Polen

Jekaterinburg
Jekaterinburg, die Grenzstadt zwischen Europa und Asien: ein Ort, dessen Schönheit die Teilnehmerinnen und Teilnehmer begeisterte.
Quelle: Veronika Lange

Krasnojarsk

Die Zugfahrt nach Krasnojarsk dauerte über 24 Stunden. Unser Programm im Zug: Ein Workshop zum Thema Demokratie. Die Gruppe wurde aufgeteilt und in jeder Kleingruppe saß je ein Vertreter der teilnehmenden Länder. Wir diskutierten den Stand der Demokratie in den verschiedenen Ländern, in der EU sowie im geografischen Europa.
In Krasnojarsk besuchten wir den Stolby-Nationalpark außerhalb der Stadt. Der Ort wurde 1624 von russischen Kosaken, Erforschern Sibiriens, entdeckt, die am Zufluss des Kacha-Flusses in den Jenissei eine kleine Festung bauten. Er ist Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher und populärer Bücher und Artikel, Spiel- und Dokumentarfilme, Anziehungskraft und Inspirationsquelle für Dichter, Musiker und Maler geworden. Nach einer Wanderung hatte die Gruppe Zeit, die Stadt Krasnojarsk zu entdecken.

Die drittgrößte Stadt Sibiriens, auch als die schönste Stadt dieser Region bekannt, bietet neben natürlichen Landschaften zahlreiche kulturelle und historische Stätten: die Fürbittkathedrale, die Verkündigungskathedrale, die Paraskeva-Pyatnitsa-Kapelle oder das Denkmal der Tschechisch-Slowakischen Legion – ein wichtiges Thema, das am nächsten Tag in Workshops diskutiert wurde.
Joanna Kuczaik, Teilnehmerin aus Polen

Das Programm des folgenden Tages: Informationen über den Verlauf des russischen Bürgerkrieges, um unser Wissen zu vertiefen und neue Fakten kennenzulernen - und dann begann die letzte Nachtfahrt, von Krasnojarsk nach Irkutsk.

Wir waren fast traurig, dass dies das letzte Mal im Coupé sein würde, da wir uns so daran gewöhnt hatten, im Zug zu übernachten. Aber es kamen doch noch einige Abenteuer!
Joanna Mirocha, Teilnehmerin aus Polen

In Krasnojarsk

Bahnhof von Krasnojarsk
Erste Eindrücke von Krasnojarsk nach der 24-stündigen Zugfahrt.
Quelle: Veronika Lange
Jugendliche vor einem Hostel
Schlafen im Hostel - und dann auf zur letzten Nachtfahrt nach Irkutsk.
Quelle: Veronika Lange
Junge Leute im Abteil der Transsibirischen Eisenbahn
Eng im Zugabteil, aber gemütlich...
Quelle: Veronika Lange

Irkutsk

In unserem Hotel gab es sogar Doppelzimmer! Wir machten uns auf zur Stadttour mit Pani Lidia. Sie ist Vizepräsidentin der polnischen Minderheit in Irkutsk und gab uns einen Überblick über die historischen Ereignisse und Orte der Stadt. Auch erklärte sie uns, dass die polnische Minderheit durch die Deportationen nach den Aufständen im polnischen Gebiet unter damaliger russischer Krone nach Irkutsk kam.

Am Abend war Zeit für die Gestaltung der „Memory Boards“, für welche wir alle Erinnerungen unserer bisherigen Reise auf Plakaten sammelten. Nach einer so intensiven Reise kamen bereits in Irkutsk viele schöne Momente zusammen.
Clara Hafner, Teilnehmerin aus Deutschland

Ein Traum wird wahr: der Baikalsee

Eine Seilbahn am Baikal-See
Imposante Aussicht auf den Baikalsee - "ein Anblick, den ich nie vergessen werde."
Quelle: Veronika Lange
Der Baikal-See
Der Baikalsee: er gilt mit 1642 Metern als tiefster See der Welt - und als ältester Süßwassersee.
Quelle: Veronika Lange

Bajkalsk

Der Morgen war kalt, aber lebhaft und es war deutlich eine gewisse Aufregung in der Gruppe zu spüren: Wir fuhren endlich zum Baikalsee. Was sich auf unserer Reise wie das Ende des Regenbogens angefühlt hatte, war endlich da und tatsächlich ein Schatz. Ich erinnere mich an das Einsteigen in den Zug, erschöpft von den zwei Wochen Fahrt, die wir hinter uns hatten, und dass mein Coupé-Nachbar mich irgendwann mit einem sanften Stupsen weckte: „Ich glaube, das willst du sehen.“ Ich schaute hinaus. Ein kleines Zugfenster und der größte See der Welt. Ein großartiger Anblick und ich konnte gar nicht glauben, dass wir ihn den Rest des Tages würden erkunden können. Wir hatten es geschafft, wir hatten den Baikalsee erreicht. Eine unglaublich abenteuerliche Busfahrt später teilten wir uns schnell in Gruppen auf und wollten unbedingt zum See. Die eine Hälfte wanderte entlang der Küste, die andere Hälfte stieg den Berg hinauf, um die Aussicht von oben zu genießen. Ich denke, ich spreche für uns alle, wenn ich sage, dass ich diesen Anblick nie vergessen werde. Zum Abschluss des Tages nahmen wir an der russischen Tradition der „Banja“ (Sauna) teil. Die Wärme der Holzhütte drang in meine Adern und verbreitete eine Entspanntheit in meinen Gliedern, die den Tag für immer in meiner Erinnerung abspeicherte. Ich werde den Baikalsee und die Wärme der Gruppe – genau wie die der Banja –, mit der sie in meinem Herzen und in meinem Verstand verbunden sind, nie vergessen.
Alyssa Wilson, Teilnehmerin aus Tschechien

Ulan-Ude

Von Ulan-Ude, der burjatischen Hauptstadt, fuhren wir zum Dazan - einem buddhistischen Kloster außerhalb der Stadt, dort befindet sich auch eine Universität. Wir wurden auf traditionell burjatische Weise mit blauen Schals im Kloster empfangen. Auf einer Führung wurden wir zunächst mit dem Gelände vertraut gemacht. Dort stehen mehrere Tempel und Mantras. Danach gab es traditionelles burjatisches Essen. Im Anschluss erklärte uns ein Mönch die Grundzüge des Buddhismus und des buddhistischen Studienprogramms der Universität. Am Abend dann ein großes Abschlussprogramm im Hostel - und nicht zu vernachlässigen: die Abschlussparty!

Dazan-Kloster
Der Dazan - ein buddhistisches Kloster, knapp dreißig Kilometer von der burjatischen Hauptstadt Ulan-Ude entfernt.
Quelle: Veronika Lange

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Inhalt erstellt: 08.10.2019, zuletzt geändert: 22.09.2021

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