Projektbeispiele
15 Personen sitzen nebeneinander in einem Stuhlkreis und tauschen sich im Rahmen der wöchentlichen Gesprächsgruppe für Binnenflüchtlinge im Caritaszentrum in Saporischschja aus.
„Wir erzählen uns alles, teilen alle Freuden und Leiden miteinander“. Wöchentliche Gesprächsgruppe für Binnenflüchtlinge im Caritaszentrum in Saporischschja.
Quelle: Achim Pohl
Länderinfo
Ukraine
Landesflagge

Stärkung von sozialem Zusammenhalt in der Ostukraine

In der Ostukraine herrscht seit über sechs Jahren Krieg. Das Projekt zielt vor allem auf die verbesserte soziale Integration von Binnenflüchtlingen, die Stärkung der vorhandenen Selbsthilfepotenziale und die Verbesserung der allgemeinen Situation der vom Krieg betroffenen Menschen.

Ein Projekt in der Ostukraine

Projektpartner
Caritas Ukraine, Nationalbüro Kiew
Bewilligungsjahr
2018
Dauer
2018-2020
Fördersumme
1.000.000
Förderbereich
Soziale Aufgaben,
Weitere Aufgaben
Übersicht

Hintergrund

Der Krieg in der Ostukraine hat seit seinem Beginn etwa 13.000 Menschen das Leben gekostet (davon ein Viertel Zivilisten) und bisher etwa 25.000 Menschen zu Kriegsinvaliden gemacht. Trotz offizieller Waffenruhe kommen seit 2016 jährlich immer noch 500 bis 600 Menschen in diesem Krieg ums Leben.
Die gesellschaftlichen Auswirkungen dieses Kriegs sind groß: Insbesondere die hohe Arbeitsmigration und damit einhergehend die Abwanderung vieler junger, qualifizierter Menschen ins Ausland („brain drain“) stellen eine große gesellschaftliche Herausforderung für das Land dar. Dabei ist die derzeitige Politik vieler EU-Staaten, die vorrangig daran interessiert sind, durch ukrainische Arbeitsmigrantinnen und -migranten ihren Fachkräftemangel zu beheben, geradezu kontraproduktiv für eine wirtschaftliche Stabilisierung der Ukraine.
Was die psychosoziale Betreuung der durch Krieg und Gewalt traumatisierten Menschen in der Ukraine angeht, kommt den Kirchen in der Ukraine eine wichtige Rolle zu. Renovabis unterstützt die kirchlichen Partner in der Ukraine bereits seit Ende 2016 mit verschiedenen Programmen und Projekten.

Jugendliche zusammen mit zwei Mitarbeitenden der Caritas Severodonetsk vor einem neu eröffenten Begegnungszentrum in Borivske.
„Wir haben alle geholfen, es zu renovieren“: Stolz stehen Jugendliche aus Borivske vor dem neu eröffneten Begegnungszentrum der Caritas Ukraine Severodonetsk, hier zu sehen mit zwei Mitarbeitenden. Ein kleiner Lichtblick, denn rund um das Dorf gibt es nichts: keine Läden, keine Busse, keine Treffpunkte.
Quelle: Achim Pohl
Elena Makaiya sitzt an der Nähmaschine in einem beengten Bereich des knapp 50 Quadratmeter großen elterlichen Hauses am Rand von Zaporizhya.
Seit Elena Makaiya 2014 mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen aus Donetsk geflüchtet ist, wohnen alle zusammen im lediglich 50 Quadratmeter großen Haus ihrer Eltern am Rand von Zaporizhya. Mit ihren Näharbeiten verdient sie sich etwas für den Familienunterhalt. Die Caritas Ukraine half ihr, das Trauma ihrer Flucht zu lindern.
Quelle: Achim Pohl

Ausgangslage

Während der ersten beiden Jahre des Krieges in der Ostukraine stand bei der Arbeit der Caritas vor allem die unmittelbare humanitäre Soforthilfe im Mittelpunkt. Nun bekommen mit zunehmender Dauer des Kriegs langfristige Programme zur Stabilisierung der sozialen Situation in den Gebieten der Ostukraine eine immer größere Bedeutung. Dabei geht es um die Förderung der beruflichen und sozialen Integration der Geflüchteten, um die Verringerung von Konflikten und Spannungen zwischen den Geflüchteten und der örtlichen Bevölkerung sowie um die Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der lokalen Selbstorganisation in den vom Krieg betroffenen Gebieten der Ostukraine und hierbei insbesondere auch im Gebiet der Pufferzone. Die Pufferzone, 457 km lang und bis zu 30 km breit, umfasst mehr als 120 Dörfer und Ortschaften, in denen rund 435.000 Menschen leben. Nach dem Minsk-II-Abkommen gilt sie offiziell als entmilitarisierte Zone, bestehend aus einer 3–4 km breiten „grauen Zone“ direkt an der Kontaktlinie (Kriegsfront) und einer bis zu 30 km breiten Trennzone. Tatsächlich kommt es aber jeden Tag an irgendeinem Ort in der Pufferzone zu Feuergefechten.

Projektbeschreibung

Der Krieg beeinflusst massiv das tägliche Leben der Zivilbevölkerung. Da ein Ende des Konflikts in der Ostukraine derzeit nicht abzusehen ist, fühlen sich viele Menschen zunehmend verzweifelt und alleingelassen.
Auch wenn an vielen Orten die lokale Bevölkerung weiterhin ein großes Verständnis für die Nöte und Bedürfnisse vieler Binnenflüchtlinge (=IDP's; siehe nebenstehende Box) hat, so nehmen doch die sozialen Spannungen zu, je länger der Krieg andauert. Ziel des Projekts ist vor allem die verbesserte soziale Integration von Binnenflüchtlingen, die Stärkung der vorhandenen Selbsthilfepotenziale und die Verbesserung der allgemeinen Situation der vom Krieg betroffenen Menschen, Bevölkerungsgruppen und lokalen Gemeinden. Die geplanten Maßnahmen und Aktivitäten lassen sich drei Bereichen zuordnen:

  1. Integration und Förderung von gegenseitigem Vertrauen, Versöhnung und Verständigung sowie Abbau von sozialen Spannungen und Konflikten zwischen den vom Krieg betroffenen Menschen und Bevölkerungsgruppen (z. B. durch Trainings in den Bereichen gewaltfreier Kommunikation und Dialog-Prozesse sowie integrative einwöchige Familiencamps).

  2. Erhöhung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit und Schaffung der Voraussetzungen für eine eigenständige Lebensführung von Binnenflüchtlingen als Voraussetzung für eine soziale Integration.

  3. Stärkung der lokalen Selbstorganisation und des sozialen Zusammenhalts der Menschen in den vom Krieg betroffenen Städten und Gemeinden in der Ostukraine, insbesondere auch in den Ortschaften, die sich im von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiet der Pufferzone befinden.

Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und wird zum Teil aus staatlichen Mitteln sowie Mitteln deutscher Diözesen refinanziert.

Jeweils sechs Teilnehmer der „Lebendigen Bibliothek“ in einem ehemaligen Ballsaal in den Räumlichkeiten der Caritas Mariupol tauschen sich an einem Tisch miteinander aus. Die in jeder Gruppe vertretenen Experten werden hier auch als „Lebendige Bücher“ bezeichnet.
„Was ich schon immer fragen wollte …“: Die „Lebendige Bibliothek“, eine Aktion der Caritas Mariupol, bietet die Möglichkeit, andere Menschen zu treffen und zu befragen, die man sonst nicht kennenlernen würde. An jedem Tisch sind Experten vertreten, die auch als „Lebendige Bücher“ bezeichnet werden.
Quelle: Achim Pohl
Tatjana Kolesnikova mit ihrer 13-jährigen Tochter im Beratungsgespräch mit einer Mitarbeiterin der Caritas Kharkiv.
„Ich habe in kurzer Zeit meine Eltern verloren, meinen Mann und meine Schwester“, sagt Tatjana Kolesnikova (Mitte). 2014 floh sie zusammen mit ihren Kindern aus dem umkämpften Donetsk nach Kharkiv, wo niemand auf sie wartete. Durch zahlreiche Gespräche mit Psychologen der Caritas und mit anderen Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten hat sie wieder gelernt, nach vorne zu schauen.
Quelle: Achim Pohl

Bewertung

Um Hoffnung und Zuversicht zu stärken, ist es wichtig, die Menschen nicht nur medizinisch und materiell zu versorgen und psychologisch zu betreuen, sondern sie zugleich auch dabei zu unterstützen, wieder Eigeninitiative zu entwickeln, um für sich und andere tätig zu werden. Hierzu gehört sowohl die individuelle Beratung der Menschen hinsichtlich ihrer weiteren beruflichen Zukunft und Lebensplanung als auch die gezielte Stärkung der in der Bevölkerung vorhandenen Potenziale von lokaler Selbstorganisation und bürgerschaftlichem
Engagement, um den sozialen Zusammenhalt der einzelnen Dorfgemeinschaften zu stärken.

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Im Kontext der Pfingstaktion 2020 zeigte diese Ausstellung Momentaufnahmen aus der Ostukraine - teils direkt aus der Pufferzone, teilweise aus den Randgebieten. Aufgenommen wurden die Fotos von Renovabis-Projektpartnern, insbesondere von der Caritas Ukraine.
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Reportage

„Was ich schon immer fragen wollte …“

Die „Lebendige Bibliothek“ der Caritas Mariupol – ein Projekt in der Ukraine, das Menschen miteinander ins Gespräch bringt und die Möglichkeit bietet, andere zu treffen und zu befragen, die man sonst nicht kennenlernen würde. Ein Bericht von Susanne Haverkamp.
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