Katholische Priester im Gespräch mit Sicherheitskräften.
Grodno, 10. August: Katholische Priester versuchen durch ihre Anwesenheit, Gewalt auf den Straßen einzudämmen.
Quelle: Andrei Chernyakevich / catholic.by
13.08.2020 – Wahlen Belarus

Eskalation der Gewalt – Hinsehen statt wegschauen

Nach den Wahlen am 9. August 2020 herrscht immer noch Gewalt auf den Straßen von Belarus, die Sitution ist unübersichtlich. Die Katholische Kirche in Belarus zeigt sich besorgt und ruft zu Gebet und Dialog auf.

Update vom 13.08.2020

Eskalation der Gewalt – Hinsehen statt wegschauen

Die vierte Nacht in Folge nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen in Belarus ist geprägt von Gewalt. Das Internet ist nach wie vor eingeschränkt, und es ist kaum möglich sich ein vollständiges Bild von der Situation vor Ort zu machen. Zahlreiche Augenzeugenberichte, Fotos und Videos zeigen, wie Demonstranten brutal gejagt, zusammengeschlagen und verhaftet werden. Die Polizei setzt Spezialeinheiten mit Knüppeln und Blendgranaten gegen Demonstrierende, auch Kinder und älterer Menschen, ein. Über 250 Menschen mussten in Krankenhäuser eingeliefert werden. Auch gestern Nacht wurden wieder rund 700 Menschen in Gewahrsam genommen. Insgesamt sitzen im Zuge der Proteste nach offiziellen Angaben schon mehr als 6.700 Menschen in Untersuchungshaft. Die hygienischen Bedingungen und die Versorgung in den völlig überbelegten Untersuchungsgefängnissen sind katastrophal. Seit gestern gehen vermehrt Frauen und Mütter in weißen Kleidern und Blumen friedlich auf die Straße, um der Opfer zu gedenken und ihren Protest gegen den Verlauf der Wahlen auszudrücken. Ärztinnen und Ärzte haben sich dieser friedlichen Demonstration angeschlossen und rufen zu einem Ende der Gewalt auf. Viele Menschen befürchten eine gefährliche Spaltung der Gesellschaft in Sicherheitskräfte und das Volk.

Die katholischen Bischöfe rufen zu Gewaltlosigkeit auf: "Gewalt ist nie der richtige Weg. Nur mit Dialog lässt sich die Zukunft aufbauen", wird der der Erzbischof von Minsk, Tadeusz Kondrusiewicz, zitiert. Aus Belarus erreichen Renovabis auch Anfragen mit der Bitte um das Gebet für den Frieden. Renovabis schließt sich dem Appell des Metropoliten von Minsk an, die Gewalt in Belarus zu beenden. Drüber hinaus müsse das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit unbedingt gewahrt werden, so Renovabis-Geschäftsführer Markus Ingenlath. Die Idee von Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz, einen Runden Tisch einzuberufen, sei ein guter Weg, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Für Ingenlath ist es jetzt besonders wichtig, dass die Europäische Union und die Welt angesichts des brutalen Vorgehens nicht einfach wegschauen. Auch die Medien hierzulande sind dazu aufgerufen über die Situation zu berichten und damit deutlich zu machen, dass das Schicksal der Menschen in Weißrussland nicht gleichgültig ist.

FREISING. Renovabis, das Osteuropahilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, äußert sich besorgt über die aktuelle Situation in Belarus. Der Staat geht mit einem massiven Polizeiaufgebot und mit großer Härte gegen Menschen vor, die friedlich gegen das offiziell verkündete Ergebnis der Präsidentschaftswahlen vom vergangenen Sonntag protestieren. „Das Recht auf Meinungs- und Informations-freiheit muss unbedingt gewahrt werden“, so Renovabis-Geschäftsführer Markus Ingenlath. Die Idee von Erzbischof Kondrusiewicz, einen Runden Tisch einzuberufen, sei ein guter Weg, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen.

Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz, katholischer Metropolit von Minsk, appelliert an seine Landsleute, die Gewalt zu beenden und stattdessen einen Runden Tisch einzuberufen. Dass die Kirchen eine moderierende Rolle einnehmen können, zeigen sie bereits jetzt: katholische Priester im Talar versuchen in diesen Tagen, durch ihre Anwesenheit Gewalt auf den Straßen einzudämmen, so das katholische Internetportal catholic.by.

Renovabis schließt sich dem Appell des Metropoliten von Minsk an, die Gewalt in Belarus zu beenden. „Warum haben wir, eine Nation mit einer mehr als tausendjährigen Geschichte des Christentums, heute die Nächstenliebe und die Toleranz gegenüber Andersdenkenden vergessen?“ mahnte der Metropolit. Mit dem Vorschlag zur Einberufung eines Runden Tisches bei der Suche nach friedlichen Auswegen aus dem Konflikt erinnert der Erzbischof an die slawische Tradition der „Wetsche“, einer Volksversammlung. Sein Witebsker Kollege Oleg Butkevich rief die Bevölkerung Weißrusslands dazu auf, nach der Wahrheit zu suchen. Es sei „wichtig sicher zu sein, dass ich die Wahrheit verteidige, nicht die Täuschung“.

Die Katholische Kirche, die traditionell etwa zehn Prozent der Bevölkerung in Belarus ausmacht und vor allem im Westen des Landes konzentriert ist, hat sich in den Jahren der Diktatur bisher politisch eher zurückhaltend geäußert. Deshalb sind die Stellungnahmen aus dem Episkopat bemerkenswert.

Mehrere Tage lang waren belarussische Nachrichtenseiten, darunter auch die von Renovabis-Projektpartnern, nicht zugänglich gewesen. Die Solidaritätsaktion unterstützt in dem Land viele auch vom dortigen Staat anerkannte vorbildliche Sozial- und Pastoralprojekte, die von einheimischen Partnern aufgebaut worden sind und auch in Zukunft verwirklicht werden sollen. Geschäftsführer Ingenlath rief auch die Europäische Union dazu auf, ihren Einfluss geltend zu machen, dass jedwede Gewalt eingestellt werde.

Kirche und Religion in Weißrussland

Belarus ist ein multireligiöses und -konfessionelles Land, in dem 26 Konfessionen und Religionen vom Staat registriert sind und uneingeschränkt im Rahmen des belarussischen Gesetzes funktionieren können. Insgesamt sind zurzeit rund 3300 religiöse Gemeinden verschiedener Konfessionen und Religionen registriert, in denen rund 3100 Priester tätig sind. Die Religionsgemeinschaften sind vom Staat getrennt und sind ausschließlich aus Spenden oder durch Unterstützung in verschiedenen Projekten finanziert.

Die römisch-katholische Kirche, der ca. 10 % der Bevölkerung angehört, ist mit rund 490 Gemeinden in 4 Diözesen organisiert und verfügt über fünf Ausbildungseinrichtungen, 11 Missionen und 9 Klöster. Die liturgische Sprache für den römisch-katholischen und griechisch-katholischen Ritus ist belarussisch, in Gemeinden, wo die Mehrheit der Gläubigen Polen sind, werden die Messen auf Polnisch gefeiert, im Norden gelegentlich auf Litauisch, im Osten des Landes gibt es auch Gottesdienste auf Russisch. Die Römisch-Katholische Kirche in Belarus hat sich von einer früher als „polnische Kirche“ bezeichnenden Gemeinschaft zur übernationalen Katholischen Kirche in Belarus gewandelt, die auch die Entwicklung der belarussischen Sprache und Kultur fördert. Die Caritasstrukturen der Kirche engagieren sich dort, wo der Staat aus verschiedenen Gründen nicht helfen kann.

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Inhalt erstellt: 12.08.2020, zuletzt geändert: 19.11.2020

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